… die Menschen erkennt man, daran, wie sie gehen – unter den Lebenden – wie unter den Sterbenden. Da ich fast zwei Jahre lang als Sitzwache und Sterbebegleitung in einem Freiburger Klinikum gearbeitet habe, ist mir das recht früh – ich meine sogar viel zu früh – bewusst geworden. Was hätte ich – im Blick zurück - manches Mal besser daran getan, diese Erfahrungen nicht mit mir getragen zu haben. Die seichte Reflektionstiefe der Jugend, der leichtere Sinn, sowie ein leichtsinnigerer Antrieb, sind Privileg der Jugend; die Jugend besteht darauf, ihre Lebenslust in vollen Zügen zu genießen – und sie hat das Recht der Jugend dazu.
Im späteren Alter ist es umgekehrt: da darf man die Leichtigkeit des Denkens als Fähigkeit, die Leichtigkeit der Emotionen nicht verlieren. Nur wer sich diese Leichtigkeit der Jugend irgendwo bewahren kann, wird von der Politik nicht aufgezehrt und in der Seele ausgehöhlt.
„Du darfst die Leichtigkeit niemals verlieren!“ sagten mein Griechischlehrer, mein im Jahr 2001 verstorbener politischer Förderer aus der SPD und derjenige, der mich in die AfD holte, ein kommunalpolitisches Urgestein der CDU aus dem hiesigen Markgräflerland.
Herr Meuthen hatte diese Leichtigkeit. Wer erinnert sich nicht an den völlig unrasierten Professor mit dem jungenhaften Lächeln, der beim Interview nach der Wahl mit jeder seiner Bartstoppeln sagte, dass er vom eigenen Erfolg eigentlich überrumpelt wurde.
Danach kam aber die alltägliche politische Arbeit - die meisten Enthusiasten ahnen gar nicht, wie hart diese ist. Wer diese nicht von Anfang an diszipliniert vornimmt, wer meint, mit Intrigen oder innerparteilichem Machtstreben sich wenigstens am Brottopf zu halten, der wird scheitern – nicht gleich, aber mit der sicheren Garantie dafür schon vom ersten kurzfristigen Erfolg an.
Es ist der thematische Erfolg, der den Applaus vom Wähler einholt, der einer Partei die Substanz für Dauerhaftigkeit verleiht.
Die Mitglieder, seien es die Groupies, die Gruppe der Opportunisten oder auch die treuen Weggefährten wenden sich ab, sobald sie erkennen, dass das Antlitz nicht mehr die unbedingte Siegesfähigkeit ausstrahlt, die Diskussionen keine Botschaften mehr setzen, sondern Abwehrschlachten sind, und wenn die Selbstverständlichkeit der thematischen Befassungskompetenz nicht mehr gegeben ist.
Die Praxis, Freunde, die jahrelang zuarbeiteten einfach sitzen zu lassen oder gar exekutierend zu hintergehen, wird unweigerlich zur Isolation führen – zum Schluss ist man immer allein.
Wer bei Kritik Chatgruppen verlässt, erklärt, man hätte so etwas nicht nötig, begibt sich auf eine Autobahn zur Selbstisolation.
Die Medien hingen schließlich, wie die Erinnyen am letzten Interview und wer genau hinsah, sah das eine oder andere weibliche Grinsen in das letzte Interview hineinstrahlen, das dem Schauspiel ein eisig kaltes Licht verlieh.
Ich bedaure es, dass Herr Meuthen mit seinen Statements zum Ende seiner politischen Laufbahn das Porzellan zerschlägt, bei deren Erschaffung er beteiligt war.
Die Partei rückt nicht immer weiter nach rechts, das ist Unsinn. Richtig ist, dass die bereits seit Jahren sich abzeichnende Notwendigkeit des Austausches unserer Führungsriege zwar angesprochen wurde, der sukzessive Austausch aber immer wieder zurückgewiesen wurde. Wie so oft wurde viel zu lange gesagt, es gäbe niemanden, der das Gleiche gleich gut könne – es war eine bequeme Ausrede.
Wie bei gleichen Anlässen in anderen Parteien auch werden sich nun andere finden, die man zuvor beharrlich nicht sehen wollte.
Ich gehe davon aus, dass diese Neuen nicht nur in den alten Fußstapfen sehr gut Platz finden werden, sondern gute und profilierte Fußabdrücke setzen werden. Wer in der jetzigen Zeit als Politiker keine Fußspuren erzeugen kann, der möge sich doch bitte in die Kasperle-Riege der Altparteien einreihen.
Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Meuthen in Ruhe und Souveränität seinen Schritt vollzogen hätte, Abgezeichnet hatte er sich bereits seit seinem Nichtantritt zur Bundestagswahl eindeutig.
Von daher wünsche ich ihm, dass er nach dem Verrauchen seines Zorns über die Dinge, die nicht abänderlich sind, mit ein wenig Wehmut und dem Vertrauen in die dann nicht mehr ganz jungen und ganz Wilden in unserer Partei auf unseren weiteren Werdegang zu schauen vermag.
Für diese Zeit wünsche ich ihm alles Gute und vor allem Gesundheit.
Martina Böswald
1. Vorsitzende
AfD-KV Breisgau-Hochschwarzwald